Feuchttücher, na und?
Das Problem mit den verhassten Kanalmonstern aus Erfahrung praktisch gelöst

Das mitten im gleichnamigen Naturpark gelegene Wildeshausen ist ein von landwirtschaftlichen Nutzflächen und Wäldern geprägter Ort, der sich aufgrund seiner naturnahen Lage eines starken Zuzugs erfreut. Man wohnt dort, wo andere Urlaub machen.

Bis vor einigen Jahren störten jedoch häufige Probleme in den Pumpstationen der Kanalisation der Kreisstadt des niedersächsischen Landkreises Oldenburg die Ruhe. Erst die Anstellung eines ehemaligen  Abwassermeisters aus der kartoffelverarbeitenden Industrie erbrachte die Lösung: Er setzte auf fremdstoffunempfindliche Drehkolbenpumpen von Vogelsang. Verstopfungen durch Feuchttücher und Co. sind zur Seltenheit geworden.

Kläranlage und Kanalisation werden in Wildeshausen von der Stadt selbst betrieben. Und das sehr effektiv: Die Gebühren für das überwiegend häusliche und gewerbliche Abwasser konnten in den letzten 25 Jahren sogar von einem ehemaligen Spitzenwert von 2,14 Euro auf aktuelle 1,99 Euro je Kubikmeter reduziert werden. Das Geheimnis dahinter ist ganz einfach, wie der zuständige Abwassermeister Matthias Schnieder erklärt: Durch Investitionen gespartes Geld wird zum Großteil wieder investiert. Und das zahlt sich langfristig für die Einwohner aus.

Ein Beispiel für die Investitionsbereitschaft der Stadt ist die Modernisierung der 15 Pumpstationen in der 85 km langen Trennkanalisation der Stadt, die von Herrn Schnieder und seiner Mannschaft betreut werden. Nach und nach werden sie saniert und mit moderner, angepasster Maschinentechnik ausgerüstet. Ein großes Problem: der steigende Anteil an Feuchttüchern und anderen Kosmetikartikeln im Abwasser, der immer häufiger zu Verstopfungen der alten Pumpen führte. Welche neuen Installationen dafür infrage kamen, war für den ehemals in der Lebensmittelindustrie tätigen Abwassermeister Schnieder völlig klar: Drehkolbenpumpen! Er kannte und schätzte die Leistungsfähigkeit und – noch viel wichtiger – die geringe Störungsanfälligkeit der Pumpen bei der Förderung von mit Fremdstoffen belasteten Medien aus seinem früheren Berufsumfeld.

„Die Pumpe ist die Lösung“, ist Matthias Schnieder überzeugt, und „der Einsatz von Zerkleinerern in der Kanalisation der falsche Weg.“ Störstoffe wie Feuchttücher erst zu zerkleinern, um sie dann aus der Kläranlage
mühselig wieder herauszufiltern, unter anderem durch Einsatz eines Mikroplastikfilters, ist für ihn widersprüchlich und unnötig. Er löst das Verstopfungsproblem durch den Einsatz von Drehkolbenpumpen, da diese Hygieneartikel und Textilien problemlos mitfördern. Kreiselpumpen neigen dazu, die Störstoffe zu armstarken langen Zöpfen zu verwickeln. Inzwischen haben Schnieder und sein Team in Wildeshausen acht Pumpstationen mit Vogelsang-Drehkolbenpumpen ausgerüstet. Und der Erfolg gibt Schnieder recht: Reichte früher der Zuruf „Pumpstation Goethestraße“ und die Mitarbeiter wussten Bescheid, wird heute schon mal nachgefragt, wo genau die Pumpstation liegt, so selten kommt es noch zu Entstörungseinsätzen.

Pumpstation Goethestraße: wöchentliche Wartungseinsätze wegen Feuchttüchern

Zuvor verstopften Feuchttücher die trocken aufgestellten Schraubenzentrifugalradpumpen der teils oberirdischen Pumpstation nahezu jede Woche. Mit der Beseitigung der Störung waren zwei Mitarbeiter schnell eine Stunde und länger beschäftigt. Zumal die beengten räumlichen Bedingungen die Arbeit erschwerten. 2017 folgte die Umrüstung auf zwei Drehkolbenpumpen vom Typ VX100-128Q. Nach der Inbetriebnahme gab es zwar noch ein paar „Anlaufprobleme“, wie Schnieder berichtet, doch seitdem läuft die Pumpstation ohne Störungen. Sollte es doch einmal dazu kommen, sehen Schnieders Einsatz-Teams das ganz gelassen. Denn die beiden Drehkolbenpumpen konnten, da sie selbstansaugend sind, eine Etage höher aufgestellt werden, wo deutlich mehr Platz für Service und Wartung zur Verfügung steht. Werkzeuge und Ersatzteile müssen nicht mehr über die enge Leiter runter zu den Pumpen gebracht werden.

Pumpstation Spascher Sand: Schwefelwasserstoff und Feuchttücher in den Griff bekommen

Entscheidung für Drehkolbenpumpen auch die Energiekosten im Blick. Das Verhältnis von elektrischem Wirkungsgrad und Betriebssicherheit wohl abwägend, ließ er bei der Modernisierung der Pumpstation Spascher Sand ein Jahr zuvor ebenfalls Drehkolbenpumpen einbauen. Denn ihm war klar: „Ein einziger Störfall kann die Energieersparnis eines hocheffizienten Laufrades zunichtemachen“. Erst recht bei Pumpstationen, die nur wenige Betriebsstunden pro Tag laufen, wie es z. B. bei der Pumpstation Spascher Sand der Fall ist. Die 1985 errichtete Pumpstation wurde vor 15 Jahren bereits mit zwei Tauchmotorpumpen ausgerüstet, die direkt im Sammelschacht montiert waren. Diese Variante zeichnet sich durch geringe Investitionskosten aus, gibt Schnieder zu, berücksichtigt man aber die speziellen Gegebenheiten vor Ort sowie die Lebenszykluskosten, sieht er die trocken aufgestellten Drehkolbenpumpen klar im Vorteil.

Was der Pumpstation zu schaffen machte, war Schwefelwasserstoff. Der entsteht in der 3,5 km langen Druckrohrleitung, an die nur ein paar Häuser angeschlossen sind. Beim Bau dieser Leitung war man noch von einer ganz anderen Entwicklung des entlegenen Siedlungsbereiches ausgegangen, dort sollte unter anderem ein großes Hotel errichtet werden. Die Pläne zerschlugen sich und es blieb eine zu groß dimensionierte Leitung. Weil nun geringere Mengen Abwasser viel zu lange in der Leitung unterwegs sind, stellt sich ein Faulungsprozess ein. So entsteht das nach faulen Eiern riechende Gas. Die sich in weiteren biochemischen Prozessen daraus bildende Schwefelsäure ist sehr aggressiv. Eine Entwicklung, die der Pumpstation Spascher Sand stark zusetzte: Schon fast bis zur Hälfte war die Wandung des 6 m tiefen Betonschachtes der Korrosion zum Opfer gefallen. Auch die Pumpen, Rohrleitungen und Armaturen hatte die Säure stark in Mitleidenschaft gezogen.

Neben den Störungen durch Korrosionsschäden mussten die Mitarbeiter der Kläranlage Wildeshausen auch noch regelmäßig durch Feuchttücher verursachte Verstopfungen der Pumpen entfernen. Was in diesem Fall sehr oft den zusätzlichen Einsatz eines Saugwagens bedeutete, da der vollkommen geflutete Schacht zunächst entleert werden musste, bevor überhaupt die Pumpen geborgen werden konnten. Aufgrund der Gasproblematik war aus Sicherheitsgründen noch dazu der Einsatz von zwei Mann zwingend erforderlich.

Im Rahmen der Sanierung im Jahr 2016 wurde ein PE-Fertigschacht in den alten Betonschacht eingesetzt und der Spalt zwischen altem und neuem Schacht mit Beton vergossen. Außer einer Niveaumessung und einer Rückschlagklappe befindet sich nichts mehr in dem aggressiven Milieu des Sammelschachtes. Die Pumptechnik, im Kern zwei VX100-128Q-Drehkolbenpumpen, befindet sich jetzt gleich daneben in einem ca. 2 m tiefen Schacht. Denn im Gegensatz zu Kreiselpumpen sind Drehkolbenpumpen selbstansaugend und schon alleine die Tatsache, dass der Schacht nicht so tief angelegt werden musste, half, die Kosten deutlich zu reduzieren. Auch die Mitarbeiter begrüßen das neue Konzept: Der neue Schacht bietet mehr Platz und vor allem sind Service- und Wartungseinsätze deutlich hygienischer und leichter. Es wird kein Saugwagen mehr benötigt und vor dem tödlichen Gas brauchen sie auch keine Angst zu haben, das bleibt nebenan im Sammelschacht. Ohnehin kommt nur noch selten ein Mitarbeiter zu Routine-Sichtkontrollen vorbei, da es nur noch selten Störungen gibt und die Pumpstation per Standleitung mit der Kläranlage verbunden ist. Alle wichtigen Betriebsparameter und Daten können dort eingesehen werden.

Wo alles begann: Pumpstation Landskrone

Landskrone ist die wichtigste Pumpstation im Einzugsgebiet der Kläranlage Wildeshausen, fördert sie doch die Abwässer des gesamten Stadtgebietes östlich der Hunte zur Kläranlage. 1961 wurde sie errichtet, 1976 wurden drei trocken aufgestellte Freistromradpumpen mit Vakuumhaltung installiert. Bis Mitte der 1990er war diese Technik in Betrieb und verursachte zum Schluss beinahe täglich Störungen und hohe Kosten. Der Grund war hausgemacht: Die anfallende Menge Abwasser war im Laufe der Zeit deutlich angestiegen und kleine Korrosionslöcher in den Saugleitungen sorgten dafür, dass das Wasser nicht mehr vom Vakuumsystem gehalten werden konnte. Neben Problemen mit dem Abwasser selbst eine nicht unübliche weitere Quelle häufiger Störungen. Um die Situation zu entschärfen, wurde die Antriebsdrehzahl der Kreiselpumpe fast verdoppelt. Wenngleich dadurch die Förderleistung deutlich gesteigert werden konnte, führte das gleichzeitig zu Kavitationsschäden, insbesondere der Laufräder. Unterm Strich standen regelmäßig teure und  zeitaufwendige Reparaturen an, die jedes Jahr fünfstellige Summen verschlangen.

Nachdem Matthias Schnieder 1992 seine Tätigkeit in Wildeshausen aufgenommen hatte, nutzte er hier seine positiven Erfahrungen mit Drehkolbenpumpen zum ersten Mal: Hohe Förderleistung bei geringem Platzbedarf, selbstansaugend und trockenlauf- sowie fremdkörperunempfindlich – das waren genau die Eigenschaften, die in der Pumpstation Landskrone benötigt wurden. Und so baute Schnieder Mitte der 1990er persönlich Wildeshausens erste Vogelsang-Drehkolbenpumpe für eine einjährige Testphase ein. Nach deren erfolgreichem Verlauf wurde die Pumpstation 1997 umgebaut und mit drei Vogelsang-Drehkolbenpumpen ausgerüstet. Seitdem werden von hier jedes Jahr im Schnitt 220.000 m3 Abwasser zur Kläranlage gefördert. Verstopfungsprobleme sind sehr selten geworden. „Unter anderem konnte ein 15 m langer Perlschlauch aus der Gartenbewässerung einmal eine der drei Pumpen stoppen“, erinnert sich Schnieder, „aber Probleme mit Feuchttüchern gab es hier nie.“ 2016 folgte eine weitere, noch umfassendere Sanierung der Pumpstation auf gleicher Basis. Man blieb der Drehkolbenpumpe treu und das Konzept der Pumpstation Landskrone wurde zur Vorlage für die weiteren Pumpstationen im Umland – wenngleich die Fördermengen dort deutlich geringer sind und daher die kleineren VX100-128Q-Drehkolbenpumpen zum Einsatz kommen, Probleme mit Feuchttüchern gibt es auf allen umgerüsteten Pumpstationen so gut wie gar nicht mehr.