Steuern wie im Cockpit
Wer aufhört sich zu verbessern, hört auf gut zu sein

Jeden Tag haben wir sie mit dem Smartphone in der Hand, täglich ist sie allgegenwärtig: die Digitalisierung. Im Alltag vereinfacht digitale Technik unser Leben, weil wir durch die Vernetzung an jedem Ort auf Informationen zugreifen können. Aber welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Landwirtschaft? Wir haben mit Hendrik Schmidt, Leiter der Steuerungs- und Systemtechnik bei Vogelsang, über den Stand der Technik und die für die Ausbringtechnik neu entwickelte Performance Control Unit gesprochen.

Interview mit Hendrik Schmidt, Leiter Steuerungs und Systemtechnik

THINK RED: Herr Schmidt, wie digital ist heute die Agrartechnik?
Hendrik Schmidt: Digitale Technik ist für die Landwirtschaft mittlerweile ein genauso wichtiger und selbstverständlicher Bestandteil wie in anderen Branchen. Die Entwicklung ist bei allen Geräteherstellern weit fortgeschritten. Geräte im Agrarsegment, beispielsweise ein Schleppschlauchgestänge und ein Schlepper, werden nicht mehr einfach nur aneinandergehängt und dann separat bedient. Der Lohnunternehmer sitzt heute im Führerhaus seines Schleppers und sieht, ähnlich wie in einem Cockpit, auf Monitoren, welche Funktionen seine Geräte ausführen. Er kann die Maschinen sehr einfach direkt steuern und überwachen.

Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Technik?
Natürlich konnte ein Lohnunternehmer auch vor der Einführung digitaler Steuerungstechnik seine Geräte vom Schlepper aus bedienen. Weil aber jeder Hersteller eigene Schnittstellen und Controller für die Kommunikation entwickelte, funktionierte ein Gerät in der Regel nur mit einem Schlepper eines bestimmten Herstellers. Für jedes Zusatzgerät hing ein eigenes Steuergerät in der Fahrerkabine und Lohnunternehmer waren an feste Gerätekombinationen gebunden. Um den Anwendern mehr Funktionen an die Hand zu geben und Geräte herstellerunabhängig einzusetzen, brauchte es eine einheitliche Kommunikation zwischen den Geräten. Mit dem ISOBUS gibt es heute einen Standard für eine digitale Schnittstelle, die sich durch starke Gremien wie die AEF und CCI am Markt durchsetzen konnte. Die etablierten Hersteller setzen den ISOBUS serienmäßig ein. Für die Anwender ist ein starker Standard ein großer Vorteil, weil sie sich darauf verlassen können, dass Geräte unterschiedlicher Hersteller miteinander funktionieren.

Was verändert sich durch die Vernetzung der Geräte mit ISOBUS?
Die Maschinen „sprechen“ miteinander, ohne dass der Anwender selbst etwas tun muss. Das ist ergonomischer für den Menschen, weil alle Informationen an einem Ort in der Fahrerkabine zusammenlaufen und er leichter Entscheidungen über Arbeitsschritte treffen kann. Aus unserer Sicht ist der ISOBUS eine zukunftsfähige Basis, weil er alle Funktionen bietet, um Technik intelligent miteinander zu vernetzen. Vogelsang hat deshalb die Performance Control Unit für den Bereich Ausbringtechnik, speziell Schleppschlauchgestänge, weiterentwickelt und ISOBUS-fähig gestaltet.

Was ist das Besondere an der Performance Control Unit?
Die Performance Control Unit (PCU) ist eine leistungssteigernde Steuerungsplattform, die grundsätzlich für Geräte aller Branchen geeignet ist. Weil sie modular aufgebaut ist, kann sie durch Updates zu einem späteren Zeitpunkt einfach um neue Funktionen ergänzt werden. Wir starten im landwirtschaftlichen Bereich und rüsten Vogelsang Geräte wie das Compax Schleppschlauchgestänge mit der PCU und einer ISOBUS Schnittstelle aus. Für den Anschluss der Gestänge am Schlepper wird nur ein ISOBUS-konformer IBBC-Steckanschluss benötigt. Bei der Entwicklung haben wir Wert darauf gelegt, dass die PCU mit jedem Terminal zusammenarbeitet. In Zukunft werden wir die Standard-Konformität durch die AEF belegen lassen.

Was sind die Vorteile der PCU für die Lohnunternehmer?
Über die PCU können Landwirte die hydraulische Klappung, den Exaktverteiler,das Teilbreiten-Management und den Flow Performance Monitor des Schleppschlauchgestänges bedienen. Die PCU vereint alle Funktionen der Schleppschlauchsteuerung – deswegen ist statt bisher vier separater Terminals nur noch eines nötig, um das Gestänge zu bedienen. Weil keine zusätzlichen Steuereinheiten am Schlepper installiert werden, kann das Anbaugerät unabhängig von einem bestimmten Fahrzeug genutzt werden. Wichtig war uns auch, die Handhabung so einfach wie möglich zu gestalten. Die Software ist durch den Verzicht auf Text und die Verwendung  einheitlicher Piktogramme sprachneutral und einfach zu bedienen. Unterschiedliche Sprachen der Anwender bilden damit keine Barriere.

Wo sieht Vogelsang weiteres Potenzial für digitale Technik wie die PCU?
Vogelsang entwickelt mit der PCU standardisierte Steuerungssysteme sowohl für die Industrie als auch für die Landwirtschaft. Die Übergänge sind fließend, die Unterscheidung der Systeme liegt im Wesentlichen in den Schnittstellen. In Richtung Mensch legen wir viel Wert auf Ergonomie und in Richtung Schlepper sind Interoperabilität und Kompatibilität unsere wichtigsten Ziele. Im Agrarbereich wollen wir unsere Kunden bei der teilflächenspezifischen Ausbringung von Gülle mit neuester Steuerungstechnik unterstützen. Die ISOBUS-Technik arbeitet mit dem Task- Control-Prinzip, nach dem der Anwender die Geräte vom Terminal aus steuert. Im ersten Entwicklungsschritt der PCU für den Bereich Schleppschlauchgestänge haben wir uns intensiv auf diese Mensch- Maschine-Kommunikation konzentriert. In Zukunft sind wir daran interessiert, in Kooperation mit den Herstellern von Selbstfahrern Schnittstellen in Richtung Section Control zu entwickeln. Das bedeutet: Anstelle der Mensch-Maschine-Kommunikation ist der nächste Meilenstein die direkte Kommunikation zwischen den Maschinen, um eine stärkere Automatisierung zu erreichen.

DER ISOBUS: WIE FUNKTIONIERT ER?

Der ISOBUS ist ein internationaler Standard für ein Kommunikationsbussystem (Norm ISO 11783) und basiert auf einer Entwicklung aus dem Automotive-Bereich. Das System sorgt dafür, dass beispielsweise ein Schlepper die Rückmeldungen eines ISOBUS-fähigen Schleppschlauchgestänges zu Arbeitsvorgängen „versteht“. Das Konzept: Geräte sind durch einen eigenen Controller (ECU) „intelligenter“ und kommunizieren mit einem zentralen Steuergerät im Schlepper (TCU). Mit dem ISOBUS wurde erstmals das sogenannte Plug-and-Play möglich. Ein Anbaugerät meldet sich selbstständig am Schlepper- Terminal an und stellt dort seine Funktionen zur Verfügung. Am Gerät wird nur ein standardisierter Steckverbinder, der sogenannte IBBC, benötigt, um die Kopplung von Spannungsversorgung und Kommunikation zum Schlepper herzustellen. Die Visualisierung der Funktionen des Anbaugeräts wird automatisch auf das Terminal (VT) im Schlepper geladen. Das Bedienkonzept ist standardisiert und passt sich individuell an das Terminal an, je nachdem, welche Softkeys oder Joysticks zur Steuerung vorhanden sind. Für Anwender wird die Handhabung von Anbaugeräten dadurch deutlich einfacher.